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.Dann geschah Folgendes:»Kaum drei Tage dauerte es, dann herrschte einTerrorregime im Keller der Fakultät - und Zimbardo fand,in weit drastischerer Form als von ihm selbst erwartet,seine Hypothese bestätigt: : Nicht der Charakter, sonderndie Umstände bestimmen darüber, zu welcher Form derGrausamkeit ein Mensch fähig ist9 , und der Wissen-schaftler sagt deshalb: : Macht ist ein Aphrodisiakum.Wenn man ganz normalen Menschen eine Machtpositiongibt, wird sich ihr Verhalten dramatisch ändern.DieStudie zeigt, wie leicht es ist, aus guten Menschen Teufelzu machen.9 «168Wie sind diese Vorgänge zu erklären? Hatten dieStudenten ihr Verhalten frei gewählt? Verfolgten sie be-wusst brutale Absichten? Wollten sie Teufel sein? Hattensie alle einen verwerflichen Charakter? Wohl kaum.Andere, willentlich nicht steuerbare und charakterlichwenig zu beeinflussende Motive haben den Ausschlaggegeben und ihr Verhalten gelenkt.Die Umstände und Bedingungen, denen Menschenausgesetzt sind, beeinflussen - das ist nicht zu übersehen -ihr Fühlen und Denken und demzufolge ihr Handeln ganzaußerordentlich.Besonders krass lässt sich das in Bürger-kriegszeiten beobachten, beispielsweise vor einigen Jahrenin Jugoslawien.Da verhält sich der gleiche Mensch,dasselbe »autonome System«, das bisher als friedlich galt,übergangslos gewaltsam.Nachbarn, die friedlich neben-einander lebten, bringen sich um, sobald die äußereBedingung »Strafe« wegfällt.Unter veränderten Bedin--149-gungen wird derselbe Mensch »ein anderer«, und sowohlseine Umgebung als auch er selbst lernen ihn dann»anders« kennen.Man sieht daran: Innere Strukturen wie Wahrnehmung,Gefühlswelt, Erfahrungen und Bewertungs- undReaktionsschemata sind nicht allein für das Verhalteneines Menschen verantwortlich.Auf vergleichbare Weiseist er äußeren Bedingungen ausgeliefert, den Regeln undStrukturen von Gruppen und sozialen Systemen.Die Schwäche des Willens und auch der Zwang zurRechtfertigung eines den eigenen Absichten widerspre-chenden Verhaltens mag menschlich sein, allzu mensch-lich sogar.Umso unverantwortlicher ist es daher, dieseErkenntnisse zu ignorieren und ständig Wahlfreiheitbeziehungsweise als Konsequenz davon die völligeSelbstverantwortung zu propagieren.Gibt es Selbstverantwortung?Der Hochschullehrer Bernd Otto weist auf den Philo-sophen Lichtenberg hin, der schon im 18.Jahrhundert dieFreiheit des Willens anzweifelte:»Dass wir glauben, wir seien frei [& ], könnte das nichtauch Form des Verstandes sein? Es ist uns überhauptunmöglich, die ersten Entstehungen zu bemerken, wirbemerken überall nur, was geschehen ist, nicht wie esgeschieht, wenn wir also glauben, wir tun jetzt eine Sache,so ist sie schon getan.«169-150-Bernd Otto führt dazu aus:»Nach Lichtenberg sind die meisten Dinge schongeschehen, wenn wir sie bemerken.Und es brächte nichts,von Ursache zu Ursache zurückzugehen [& ].So auch isteine Handlung, wenn wir glauben, sie frei zu vollbringen,bereits geschehen, weil unser Wille - von unseremNichtwissen determiniert, nicht umhin kann, sie zuvollbringen.«170Der Hirnforscher Wolfgang Prinz kommt ebenfalls zu demSchluss:»Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, waswir tun.«171Deshalb kann man seine Reaktionen selten »wählen«, wiees die Machbarkeitspriester behaupten, beispielsweiseSchäfer mit der folgenden Aussage:»Stellen Sie sich vor, irgendjemand fährt aus heiteremHimmel in Ihr parkendes Auto [& ].Sie sind nicht für dieTat des Fremden verantwortlich, aber für IhreReaktion.«172Wenn Sie nun dem Unfallfahrer ein blaues Auge schlagen,dann würde Bodo Schäfer behaupten, Sie hätten sich auchanders entscheiden können.Doch nicht Ihr »Ich«, sondernIhnen unbewusste und möglicherweise bis zu diesemEreignis unberührte Gefühle, beispielsweise derBedrohtheit oder Aggression, haben sich für den Schlagentschieden.Sie waren möglicherweise »geladen« undkonnten sich nicht zurückhalten.Deshalb ist es durchauskorrekt, wenn Sie später vor Gericht beschwören: »Ich-151-wollte das nicht.«Ihr »Ich« wollte das tatsächlich nicht, aber der Rest vonIhnen, der wollte zuschlagen.Nur unterlag der leider nichtIhrer Kontrolle.Hatten Sie eine andere Wahl und sind somit für Ihre Tatverantwortlich? Hätten Sie sich an diesem Tag, unaus-geschlafen wie Sie waren, nach dem Streit mit demEhepartner, in dieser Laune, bei dieser inneren Ladung,unter diesen Umständen, anders verhalten können? Sicher-lich, an einem anderen Tag, in einer anderen Stimmung,nach der Versöhnung mit dem Partner, im Zustand derEntspannung, unter anderen Umständen, da hätten Sie sichanders verhalten.Aber auch das hätten Sie dann nicht»gewählt«.Wolf Singer, Frankfurter Hirnforscher, meintzum Thema Selbstverantwortung:»Die Annahme zum Beispiel, wir seien voll verantwortlichfür das, was wir tun, weil wir es ja auch hätten andersmachen können, ist aus neurobiologischer Sicht nichthaltbar [& ].Könnten wir uns aus einer höheren Warte ausbetrachten, würden wir feststellen: Wir tun dies oder jenes,weil diese oder jene Faktoren uns dazu veranlassen.Zudiesen Determinanten zählen natürlich auch unsereErfahrungen, unsere Überlegungen, die aber allesamt einneuronales Korrelat haben.Da wir - auf unserer Ebene -aber diese Vielzahl der uns beeinflussenden Parameternicht überblicken können, uns dessen aber nicht bewusstsind, liegt es nahe, unseren Handlungen Absicht zuunterstellen, uns Intentionalität und somit Freiheitzuzuschreiben.«173Im Lichte solcher Erkenntnisse erscheint der landläufigeSchuldbegriff beinah antiquiert.Nehmen wir ein krasses-152-Beispiel: Hätte sich ein Mörder willentlich andersentscheiden können? Hätte er sich gegen die Tatentscheiden können? Wohl kaum, denn seine Gesamtheithat entschieden, und dazu gehören triebhafte Impulse,unkontrollierbare Gefühle, Erinnerungen, Ängste, Aggres-sionen, Erfahrungen, das Verhalten seiner Umgebung undseines Opfers sowie andere Motive, die sich der bewusstenSteuerung entziehen
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